„Ich hab doch nichts zu verbergen!“

Ein Rückblick auf unsere Veranstaltung „Big Data – Was unsere Daten über uns verraten“

Ob beim Einkaufen, beim Surfen im Netz oder über die Positionsdaten unserer Smartphones: Fast überall hinterlassen wir (un)bewusst eine große Menge von Datenspuren. “Ich habe ja nichts zu verbergen” ist dann häufig das Argument zur eigenen Beruhigung. Doch geht es nicht nur um das Verbeugen von kriminellen Machenschaften, skurrilen Bettvorlieben oder heimlichen Liebschaften. Nein, jede*r hat etwas zu verbergen! Aus guten Gründen, die sich in ein paar Schlagworte zusammenfassen lassen: Privatsphäre, Datenschutz und das Recht auf informelle Selbstbestimmung. Oder warum machen Sie die Klotür hinter sich zu? Warum soll Ihre Krankenkasse nicht wissen, wie oft Sie Fastfood essen oder wie oft/selten Sie Sport treiben? Wozu gibt es das Wahlgeheimnis? Warum erzählen wir nur engsten Freunden unsere intimste Gedanken und Geheimnisse?
Weitere Gründe warum, das sich hartnäckig haltende, aber unreflektierte Sprichwort „Ich habe ja nichts zu verbergen“ ein moderner Mythos ist, hat Digitalcourage gesammelt (HIER zum Nachlesen).

In unserer Infoveranstaltung am 2. November 2021 in der Turnhalle am Gemeindeamt Oberwiera näherte sich Medienpädagoge Manuel Schmuck nicht nur diesem Mythos, sondern verdeutlichte den elf interessierten Teilnehmenden anhand eindrücklicher Beispiele, welchen Wert unsere Daten für Konzerne haben und wie gläsern wir tatsächlich schon sind. Dafür wurde zunächst ein Bewusstsein für den Wert von Privatsphäre geschaffen: Was sind (schützenswerte) Daten? Wer darf die eigene politische Einstellung, Termine, Trainingseinheiten, Geschlechtspartner, Finanzstatus, Tagebucheinträge, Gewicht, Tagesablauf, Krankheiten etc. wissen?

Des Weiteren verdeutlichte Manuel Schmuck, wie Unternehmen und digitale Dienste Gesetze (DSGVO, Recht auf Auskunft, Recht auf informationelle Selbstbestimmung) durch das „Kleingedruckte“ in ihren AGB (Allgemeinen Geschäftsbedingungen) aushebeln. Dafür war es wichtig zu verstehen, wie viele Daten jede*r Einzelne täglich im Netz hinterlässt und was durch die Nutzung von alltäglichen digitalen Diensten preisgeben wird. Diese Unmengen an digitalen Daten stammen aus Browserverläufen, Social Media Plattformen, Online-Shoppingangeboten, Payback-Karten, Smart Devices uvm.). Dabei ist zwar auch interessant, was dort aktiv gepostet, bestellt oder gesendet wird, jedoch sind die sogenannten Meta-Daten (Hintergrund-Informationen einzelner Dateien/Inhalte) viel interessanter für die Unternehmen. Metadaten eines versendeten Fotos sind bspw. die Informationen, wann, wem, mit welchem Datenumfang, über welches Gerät oder von welchem WLAN-Standpunkt aus es geschickt wurden. Das Meta-Daten-Auslesen eines Fotos/Videos oder auch die Analyse eines WhatsApp-Online-Status sind typische Datensammel- und Analysemethoden der komplexen Massendaten („Big Data“ genannt), die Menschen täglich gläserner machen.

Das Wissen aus diesen Datenbergen nutzen Unternehmen wie Facebook oder Google für zielgerichtete Werbung. Denn für die Geschäftsmodelle der großen („kostenfreien“) Internet-Dienste gilt tatsächlich ein altes Sprichwort: „Zahlst du nichts, bist du das Produkt!“ Die Facebook Business Tools (v.a. die Zielgruppen-Merkmale) von Facebook erläuterte unser Referent anhand seiner eigenen persönlichen Facebook-Datenauswertung sowie bekannter Beispiele („Die Kälte der Algorithmen zeigt sich nach einer Stillgeburt“). Die Datensammelmechanismen von Google verdeutlichte er bspw. mittels herauslesbaren personalisierten Informationen aus den verschiedensten Google-Diensten. Über die Google-Suche, den Kalender, die YouTube-Nutzung, aus Google-Drive Dateien, dem Betriebssystem Android, aus Gmail oder Google Maps kennt Google den Tagesablauf und Interessen, aber auch Krankheiten, religiöse Überzeugungen, sexuelle Orientierung oder das Kommunikationsverhalten seiner Nutzer:innen.

Abschließend gab es konkrete Handlungsempfehlungen für Datensparsamkeit an die Hand. Von Abstinenz über Aufklärung und digitale Selbstverteidigung bis zu politischem Engagement – Es gibt einiges, dass wir tun können, um unsere Daten im Netz besser zu schützen.

Eine tolle Kooperationsveranstaltung mit der Gemeinde Oberwiera und der LEADER-Region Schönburger Land.
Wir sagen Danke für das Engagement und Interesse und kommen gern wieder :).